Dr. Jerzy Kochanowski:
Fast
niemand spricht darüber und es ist wenig bekannt, dass unmittelbar
zum Ende des II.WK bis in das Jahr 1950 (in einigen Fällen bis1952)
hinein deutsche Kriegsgefangene zu einem festen Bestand der polnischen Wirtschaft
gehörten. Im Gegensatz zu denen, die sich zu der Zeit in den Lagern in der
Sowjetunion befanden, weiß man von der deutschen Kriegsgefangenen in Polen
so gut wie nichts. Es waren weit über 100.000 Deutsche, überwiegend
ehemalige Wehrmachts- und SS-Angehörige, Parteibonzen, aber auch gewöhnliche
Zivilisten und Frauen, die in über 270 Zwangsarbeitslagern
obozach przymusowej pracy
untergebracht waren.
Neben
den deutschen Soldaten und flüchtenden Zivilisten, die
gleich im Osten in die Zwangsarbeitslager gerieten, kam der große Zustrom
erst nach dem Ende des II.WK., als die Alliierten im Westen begannen
die meisten Kriegsgefangenen nach Hause zu schicken. Viele von Ihnen,
inzwischen Zivilisten, die damals im Osten Deutschlands wohnten,
kehrten nach Hause und gerieten nicht selten erneut in Lager. dieses Mal
in die polnischen, was schon damals gegen die internationalen Konventionen
war. Deutsche Kriegsgefangene aus Polen, Brandenburg oder Pommern
wurden in Sammellagern u.a. in Lubań (Lauban), Żagań (Sagan),
Poznań (Posen) oder Gdańsk (Danzig) zusammengebracht. Deutsche
Kriegsgefangene traf man in diesen Jahren auf fast allen großen Baustellen
in Polen. So wurde zum Beispiel der große Flugplatz in Łódź überwiegend
von deutschen Kriegsgefangenen gebaut. Es gab keine Berggrube in Oberschlesien,
wo nicht deutsche zwangsweise gearbeitet haben. Aber auch die von den Deutschen
weitgehend zerstörte polnische Hauptstadt wurde von deutschen Kriegsgefangenen
wieder aufgebaut. Nicht selten kam es vor, dass deutsche Rückkehrer
aus der Sowjetunion in Polen erneut in Zwangsarbeitslager gesteckt
wurden. So geschah es im Jahre 1946, als 2000 deutsche Kriegsgefangene,
die in der Sowjetunion in die Heimat entlassen wurden, auf dem Bahnhof in
Katowice (Kattowitz) erneut „verhaftet„ und direkt in die Bergbaugruben
geschickt wurden. Noch weniger ist bekannt über die Todesrate unter den
deutschen Kriegsgefangenen. Nach bisherigen Erkenntnissen muss, die sehr
hoch gewesen sein. Der Autor zählt in seinem Buch über 270 Lager auf.
Der
hauptsächliche Grund für die Bildung solcher Zwangsarbeitslager war das
große Fehlen an Fachleuten.
Der
Krieg hat das ganze Land verwüstet und sehr viele Opfer an Menschen
gefordert. Vieles, was in Ober- und Niederschlesien noch
an Produktionsmitteln zu gebrauchen war, hat die Rote Armee abmontiert und
in die Sowjetunion verfrachtet. In vielen Gegenden nach dem Krieg hat man
praktisch bei Null angefangen.
Ein
großes Facharbeiterpotential hat man in den deutschen Kriegsgefangenen gesehen.
In
den nachfolgenden Jahren stellte man fest, dass viele der deutschen Kriegsgefangenen,
die besonders gute Fachleute waren, nicht ersetzt werden konnten.
So
kam es, dass erst ab 1948 damit begonnen wurde, einen Teil der deutschen
Kriegsgefangenen zu entlassen und nach Hause zuschicken. Die letzten deutschen
Kriegsgefangenen haben erst auf Grund der Amnestie von 22.7.1952 ihre
Freiheit erhalten.
Bisher
hat es zu diesem Thema praktisch nur ein einseitiges Bild gegeben, welches
aus den Erzählungen der Rückkehrer in Deutschland entstanden ist.
Das wurde dann zu einem relativ einseitigen Tatsachenbericht zusammengestellt.
Ganze
Abschnitte in diesem Buch behandeln auch Themen, die für uns Philatelisten
vom besonderen Interesse sind, u.a. ganz besonders die Postzensur oder den
Postverkehr im allgemeinen.
Nur
schade, dass das Buch im Augenblick nur in polnischer Sprache erschienen
ist.
Wir
freuen uns, meine Nichte Izabela
Wawrzyniak-Kurowski und ich,
dass wir zum Gelingen dieses Buch einiges beitragen konnten.
Dr.
Jerzy Kochanowski (geb. 1960) arbeitet im Deutschen Historischen Institut
in Warschau und beim Historischen Institut der Warschauer Universität.
Das vorgestellte Buch wurde von der Konrad-Adenauer-Stiftung und der
Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit aus Mitteln der Bundesrepublik
Deutschland mitfinanziert.
Auflage: 500 Exemplare;
ISBN 83-86842-77-6, Herausgeber: NERITON, Warschau. Interessenten
können das Buch auch bei mir bestellen. Der Preis beläuft sich bei ca. 15,-
€.
Stefan Petriuk
|